
Die kleinen Dinge sind hier die Erlebnisse
Ein Besuch der Ysperklamm, der wichtigsten Attraktion in der Region, ist ein Ausflugstag. Warum sollte man dazu in Ihrem Hotel eine Nacht oder ein Wochenende verbringen?

Hier gibt es alles zu sehen und zu erleben, wofür das Leben am Land in Österreich steht. Wir versuchen als Hotel genau diese Normalität zu leben - bei uns gibt es keine Meeresfrüchte auf der Karte; viele Produkte für Küche und Keller machen wir selbst und was wir einkaufen müssen, holen wir möglichst aus der Region. Wir sind zu hundert Prozent Biobetrieb und definieren uns nicht über eine Sterne-Klassifikation. Die Qualität des Hauses wird von einer offenen Unternehmenskultur geprägt, von einem Team mit großer Selbständigkeit und von einem verantwortungsvollen Umgang mit allen uns zur Verfügung stehenden Ressourcen.
In Ihrem Manifest „Lasst uns mal NachDenken“ findet sich der folgende Satz: „Wir leben hier einen entspannten Tourismus und sind dabei zutiefst geerdet.“ Können Sie diese Erdung genauer erklären.
Unser Team trägt bei der Arbeit Jeans und T-Shirts, es gibt keine Kleidervorschriften. So gut wie alle im Team kommen aus der Region und haben ihre Wurzeln hier im Tal. Wir essen möglichst gemeinsam zu Mittag und treffen uns zu regelmäßigen Teammeetings.
Bei Umbauten und Renovierungen versuchen wir in Kreisläufen zu arbeiten und so wenig wie möglich wegzuwerfen. Unsere Putzmittel sind ökologisch abbaubar, wir beziehen Ökostrom und werden demnächst unser eigenes Sonnenkraftwerk am Dach in Betrieb nehmen. Der Bezug zur "Mutter Erde" ist bei uns allgegenwärtig und wir versuchen diesen Zugang und dieses Bewusstsein auch unseren Gästen nahe zu bringen.
Eine Ihrer Biolieferantinnen ist Maria Pravec. Sie zieht alte Sorten und experimentiert. Was sagen Ihre Gäste, wenn sie ihnen völlig unbekanntes Gemüse auf der Speisekarte finden oder Sachen, deren Ruf nicht mehr der beste ist, wie bei Kraut und Rüben?

Sie legen viel Wert auf regionale Produkte, dennoch kommt beispielsweise der Käse in Ihrem Restaurant aus Tirol und Salzburg. Gibt es keine passenden Qualitäten in der Region? Und wenn dem so ist, warum?
Ein wesentliches Standbein Ihres Hotels sind Seminare. Besonders großen Bedarf an Seminarhotelangeboten haben große Unternehmen. Sie selbst stehen dem aktuellen auf Wachstum und Ressourcenverbrauch aufbauende Wirtschaftssystem mit einiger Skepsis gegenüber. Können Sie sich vorstellen, dass Sie manche Unternehmen und Seminare nicht Ihrem Hotel zu Gast haben wollen?

Grundsätzlich bekennen wir uns zu dem Wirtschaftssystem in dem wir leben; wir möchten zeigen, dass nicht das System per se schlecht ist sondern dass es an uns liegt, in diesem System verantwortungsvoll, fair, nachhaltig, wertschätzend und gemeinwohlorientiert miteinander umzugehen. Das würden wir gerne allen Unternehmen vermitteln, die uns als Seminarhotel buchen.
Das Landhotel Yspertal setzt bei der Energieversorgung stark auf Erneuerbare. Wäre auch Energieautarkie für Sie möglich?
Sie unterstützen Attac. Das gehört nicht gerade zum Standardrepertoire österreichischer Unternehmen und schon gar nicht im Tourismus. Was hat Sie dazu bewogen?
Zur Finanzierung von Investitionen ins Hotel wählen Sie nicht den traditionell österreichischen Weg zur Bank für eine Kreditgewährung sondern setzen auf einen Vermögenspool. Worin besteht der Vorteil für Sie und warum sollte ich Ihnen mein Spargeld anvertrauen?
Der Vermögenspool ist ein Finanzierungsmodell auf Augenhöhe mit den Anleihezeichner*innen. Das Geld wird von einer Treuhänderin verwaltet und wir müssen den Anleihebetrag grundbücherlich besichern. Das ist fast wie bei der Bank - allerdings mit dem Unterschied, dass wir in dem Fall die Konditionen für die Anleihen festlegen und auch die Rückzahlung der Anleihen steuern können. Wenn wir gut wirtschaften, werden wir immer Personen finden, die an den Zinsen in unserem Vermögenspool partizipieren wollen. Wir kennen so gut wie alle Teilnehmenden am Vermögenspool persönlich und haben es daher mit Personen zu tun, die unser Tun gut einschätzen können und die ihr Geld lieber bei uns investieren als es irgendwo liegen zu haben.
Sie haben ein Herz für die Kunst sowie Künstlerinnen und Künstler. Es gibt Kulturveranstaltungen bei Ihnen und Sie haben Künstlerinnen und Künstler mit der Gestaltung von Räumen in Ihrem Hotel beauftragt. Was hat Sie dazu gebracht und wie reagieren Gäste darauf?
Nachdem wir dann begonnen haben, mit Hilfe des Vermögenspools unser Haus zu renovieren, war sehr schnell klar, dass wir auch in einem gewissen Umfang weiterhin Kunst finanzieren wollen. Wir haben jetzt die erste Künstlerin damit beauftragt, öffentliche Räume im Hotel zu gestalten und werden diesen Weg so weiter gehen. Kunst passt zu uns und zu unserem Haus und unsere Gäste müssen damit leben. Basta! (Natürlich lieben sie die Werke ohnehin.)
Sie betreiben das Hotel seit knapp eineinhalb Jahrzehnten. Wenn Sie in weiteren eineinhalb Jahrzehnten einen Blick auf Ihr Hotel und die Region werfen, was würden Sie gern sehen?
Unser Team wird an dem Haus und an dem Erfolg mitbeteiligt sein. Wir werden unsere eigene YouTube-Kochsendung haben, um zu zeigen, wie man einfach und normal kocht, wie man die Qualität von Gemüse, Getreide, Obst oder Fleisch erkennt und was man jeweils daraus machen kann. Wir kochen nach Produkten und nicht nach Rezepten.
Wir werden kontinuierlich den Weg der Kreislaufwirtschaft weiter gegangen sein und werden täglich dazulernen, wie so ein schönes altes Haus enkeltauglich gemacht wird. Die Region wird sich hoffentlich ihre touristische Unschuld bewahren und weiterhin mit einer vielfältigen, abwechslungsreichen und gesunden Natur punkten.
Das Erlebnis hier sind die kleinen Dinge: der Salamander am Weg, die Äskulapnatter unter der Brücke, die vielen Blumen an den Wiesenrändern, die Mischwälder, die Vogelstimmen, die Wanderwege und Badeteiche - nichts davon wird hoffentlich zu einer Erlebniswelt ausgebaut sein. Hier können unsere Besucherinnen und Besucher sehen, spüren und schmecken, wie spannend und abwechslungsreich das normale Leben in einem der schönsten und reichsten Länder dieser Welt sein kann. Dann würden wir gerne sehen, wie sie voller Demut und Dankbarkeit diesen Ort verlassen und mit diesem Spirit in ihren Alltag zurückkehren.