Christina Clar

Christina Clar

« Expirer en inspirant, inspirer en expirant », hör ich sie sagen. „Beim Einatmen ausatmen, beim Ausatmen einatmen“ und es bleibt offen, ob das ein Imperativ an ihren Körper ist oder ob sich gerade ihr Widerstandsgeist Platz schafft.

Eine typische Szene im Haus von Christina Clar, achthundert Meter über dem Meeresspiegel: Preblau wurde früher als Höhenluftkurort geführt. Immer noch sprudelt die Quelle im Ort ein sehr charakterstarkes Mineralwasser zu Tage. – Ein Symbol fast. Denn mindestens ebenso reichhaltig quellt es aus Christina Clar, die nicht oft genug betonen mag, dass der Umstand, dass sie derzeit von hier aus arbeitet, ungewollten Zufällen geschuldet wäre. Wie so Vieles in diesem Leben.

„Ich habe aufgehört präzise Antworten zu erwarten, wohin die Reise gehen würde. Es kommt eh immer anders.“

Eines Arztes wegen in Bruck an der Mur geboren, hielt sie lange nichts im österreichischen Kosmos.

Gelebt hat sie in drei Sprachräumen, studierend zwischen Paris, Wien und London; oszilliert oder anders: Zwischen Bildhauerei, Theaterwissenschaften und Schönen Künsten; reisend zwischen Kanada und Bolivien, zwischen Australien und Indien, zwischen Marokko und dem Kongo.

Lebt man ein paar Tage als ihr Gast, versteht man erst, wie lebendig diese Frau ist. Und wie polyglott. Ihre Tage beginnen oft still mit Yoga oder Meditationen. Werden lauter, wenn sie eine Freundin coacht: „T’es folle? Pas du tout! (Spinnst du? Überhaupt nicht!)“ und wieder viel ruhiger, wenn sie sich in ihr Atelier zurückzieht und malt. Ohne Kunst kann sie nicht existieren. Sie bricht jeden Alltag dadurch, sich Äußerungen anderer Künstler zu widmen, zu interagieren, fährt in die nächste Ausstellung, zur neuesten Performance, liest Paul Watzlawick und Ingeborg Bachmann parallel. Ein Flügel und eine Harfe stehen im großen Zimmer, der den Blick freigibt, über die Wiesen und Wälder zu Giselbert Hokes Sonnenturm an der österreichischen Süd-Autobahn bei Twimberg.

Indische Sadhus und wie sie leben, Menschen, die mit ihren Händen arbeiten, die die Intelligenz ihrer Körper verstehen und schätzen, die Gesten von Frauen, die mit offenem Feuer kochen, die Klarheit von Menschen mit Beeinträchtigungen… All diese different realities sind Teil ihrer Inspiration: Sie flutet Räume mit Klang und Bild. Grenzen zwischen vom Verstand entworfenen und real existierenden Räumen kippen. Installationen, Performances, computergestützte Anwendungen. Grenzüberschreitungen.

Sie hat während ihrer Zeit in Brüssel mit dem belgischen Open Source- und Künstlerkollektiv Constant gearbeitet, in Frankreich unter vielen anderen mit den Musikern Pascal Contet und Bernard Lubat, mit dem Architekten Roberto Benavente oder mit dem bildenden Künstler und Theatermacher Yves Chaudouët, bei den Salzburger Festspielen mit dem Regisseur Peter Sellars, beim Ars Electronica Festival mit dem TNC-Network, Performances im Rahmen des Steirischen Herbst, im Kongo mit dem Regisseur und Schauspieler Dieudonné Niangouna, in Australien mit dem Filmemacher Matt Richards, in Los Angeles mit dem Zeichner Peter Jap Lim. Zu ihrem Netzwerk gehören Künstlerinnen, Kulturarbeiterinnen, Regisseurinnen, Theater- und Opernhäuser, freie Gruppen und Initiativen rund um die Welt.

Die Grenzen sprengen, kollaborativ und kreativ sein, die Lust, ja die Notwendigkeit am Schaffen in den Mittelpunkt stellen, ist ihr Ding. Christina Clar ist schwer fassbar: Was sie aber am meisten beeinflusst, neben Menschen, die die Welt offener und zugänglicher machen wollen, und neben vielfältigen KünstlerInnen mit einem universellen Zugang zum Schaffen und hohen sozialen Ansprüchen ist mit Sicherheit die sich stets erneuernde Kraft der Natur, mit ihren Zyklen und die Energie, die das Leben nährt.

Wenn ich nur daran kratze, ihre Welt zu fassen, eröffnet Christina sofort eine kluge Perspektive: „Verstehen wir uns denn selbst?“ – Was bleibt, ist nur vage, reizvolle Annäherung.

Sie geht aus dem Zimmer, um Ruccola und Petersilie, Stachelbeeren und eine Gurke, Zucchini und Endivien zu ernten. – « Ahh, quel bonheur!! »