Das erste dieser Wesen habe ich in Graz kennengelernt. Dort hockt es in einer Ecke unter der Decke und streckt seine Arme oder Tentakeln (oder vielleicht sind es auch Füße) entlang der Wände durch das Zimmer aus. Ganz friedlich hockt es da in seiner Ecke und bewacht den Schlaf der Gäste.

Als wir mit der Renovierung der ersten Zimmer im Haupthaus fertig waren, standen wir im Gang davor vor blitzblanken, glatten, neuen weißen Wänden, die lediglich durch Zimmertüren und die Zimmernummern unterbrochen waren. Da fehlte noch etwas. Doch schon bald zogen die neuen Hüterinnen und Hüter des Zeichentrakts ein.

Sie kamen dann in der Nacht. Wenn es draußen dunkel wurde, warf Hanne ihren transportablen Overheadprojektor an, schraubte den Deckel vom Tuscheglas und ließ die Wechselwesen wachsen.

Die Künstlerin

Hanne Römer, geboren 1967 in Bad Vilbel/Deutschland, aufgewachsen in Duisburg und Hamburg, studierte Druckgraphik, Kunstgeschichte, Medienwissenschaften in Marburg/Lahn und in Edinburgh/Schottland. Seit 2000 lebt und arbeitet sie mit ihrem künstlerischem Konzept/Kunstwerk .aufzeichnensysteme bzw. in ihrem Verständnis selbst ein lebendiges Aufzeichnensystem (wie jede/r), schreibend, zeichnend, vollberuflich als selbständige Künstlerin und Autorin in Österreich/Wien, Deutschland und international.

Neben Publikationen (edition ch/Klever Verlag/Ritter Verlag), Ausstellungen, Lesungen, Hörstücken (ORF Kunstradio, freie Radioarbeiten) und performativen Installationen/zeichnerischen Projektionen initiiert sie sporadisch kooperative künstlerische/literarische Zusammenarbeiten und supported innovative Projekte mit Initiativ-Ideen.

In Hanne Römers Verständnis sind das Zeichnen und das Schreiben Kulturtechniken der Kommunikation, die einem jeden Menschen eignen und zustehen. Schreibmaschinen, Projektoren und bürohistorische "aufzeichnenmedien" kommen experimentell zum Einsatz. Insofern der manuell getätigte Strich mit Tusche und Feder instant zu sitzen, die Linie auf dem Blatt zu stehen hat, auf nichts anderes ausserhalb von sich verweisend, erhebt Hanne Römer das Zeichnen/die Zeichnung aus seiner/ihrer dienenden Funktion (als blosse "Skizze"/"Vorzeichnung") zum eigenständigen künstlerischen Hauptwerk: "In jeder Zeichnung/Linie steckt die Handarbeit aller zuvor, eine Übung, ein Prozess immer in Bewegung, Weiterentwicklung, sofort wirksam..."

Ihre Arbeiten an der Schnittstelle von Wort und Bild sind in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen (u.a. Landesmuseum St. Pölten, Arbeiterkammer Wien, Bund, Stadt Wien, Sammlung F.C. Heller, Sammlung Nordico Linz, Ursula Blickle-Archiv) vertreten. Hanne Römer erhielt 2003 das Mira-Lobe-Stipendium, 2011 das österreichische Staatsstipendium für Literatur, 2016 das Wiener Literaturstipendium und 2018 den Förderpreis zum Heimrad Bäcker-Preis für ihr experimentelles Werk an der Schnittstelle von Word/Bild/Ton.

namentlich: .aufzeichnensysteme Punkt punkt punkt ...

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www.aufzeichnensysteme.net